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Der Maler Bo Larsen im Porträt

Große Leinwände, Farbtöpfe, gebrauchte Pinsel sowie jede Menge weiteres Material – und mittendrin der Maler. Ein Besuch bei Bo Larsen entführt in die Welt der Farben, mit kraftvollen Bildern und Kompositionen. Seit 2009 lebt der deutsch-dänische Künstler in Berlin, seit etlichen Jahren inzwischen als Mieter der STADT UND LAND in der Neuköllner Oderstraße.

Bo Larsen liebt die großen Formate. Starke Farben und Schriftzüge – ein Werk trägt den Titel NEON-City. Die letzten Akzente werden per Hand gesetzt. Dann kommen nach der Rakel auch Pinsel zum Einsatz.

„Als ich vor ein paar Jahren auf Wohnungssuche war, habe ich zunächst im Rollbergkiez eine kleine Wohnung bei der STADT UND LAND gefunden. Das war ideal zum Ankommen im Kiez“, berichtet Bo Larsen. „Kurze Zeit später wurde dann etwas in der Oderstraße frei – meine heutige Wohnung, in der ich mich immer noch sehr wohlfühle!“ Angekommen ist Bo Larsen nicht nur in seinem Lieblingskiez, angekommen ist der aufstrebende Maler inzwischen auch in der Berliner Kunstszene. 

Fast schon ein Markenzeichen sind seine großformatigen Kompositionen, die er in mehreren Farbschichten entstehen lässt und immer wieder überarbeitet. Dabei kommen neben Pinseln und Spachteln noch viel größere Gerätschaften zum Einsatz, nämlich lange Rakeln. Maurer und Fliesenleger hantieren üblicherweise mit Rakeln, um Mörtel oder Fugenmasse aufzubringen, zu verteilen und zu verstreichen. Spätestens mit den abstrakten Werken von Gerhard Richter wurde die Rakel auch in der zeitgenössischen Kunst salonfähig. 

Bo Larsen zieht mit seinen Rakeln die flüssigen Farben über die Leinwände und spielt dabei natürlich auch mit dem Zufall, den Fließeigenschaften und den unplanbaren Effekten: in Rot, Gelb und Blau. Oder auch jede Menge Farben in Neon. Die signalhaften Neonfarben hat er vor einigen Jahren entdeckt und damit seine Farbschichtkompositionen um ein besonderes, fast störendes Element bereichert. Dadurch erhalten die Werke, die oft an alte, abgerissene Plakatwände erinnern, eine zusätzliche Wirkung. Hin und wieder taucht auch ein Schriftzug auf. „Auf die Bilder, die mit Neonfarben entstanden sind, wurde ich sehr oft angesprochen“, sagt Bo Larsen. Das ist fast schon zu bescheiden. Bei einer Ausstellung wurden ihm die Bilder fast aus den Händen gerissen, so viel wurde verkauft. Heute hängen die Werke sowohl in internationalen Privatsammlungen als auch bei manchen Unternehmen in Konferenzräumen.

Gemalt hat Bo Larsen schon als Kind, aufgewachsen ist der Sohn eines Dänen und einer deutschen Mutter in Kopenhagen und Karlsruhe. Doch trotz des attestierten Talents hat er sich gegen ein Studium der Malerei entschieden. Die freie Beschäftigung mit der Malerei war ihm wichtiger. Heute ist er sicher, dass es die richtige Entscheidung war. „Ich bin sehr froh, dass ich mittlerweile von meiner künstlerischen Arbeit leben kann. Das ist in der heutigen Zeit nicht selbstverständlich“, fasst er zusammen.

Neben seiner Wohnung in Neukölln hat er auch ein kleines Atelier in Friedrichshain angemietet. „Die Strecke fahre ich meist mit dem Fahrrad. Das ist ideal, um auch mal abzuschalten. Gerade, wenn vor einer neuen Ausstellung der Druck steigt und noch viele Werke fertig werden müssen“, so der Maler.

Er arbeitet stets an mehreren Bildern gleichzeitig. Das ist vor allem den Trocknungszeiten der Farbschichten geschuldet. Bei Ölfarben dauert es eben sehr lange, gerade wenn sie pastos, also fast fingerdick aufgetragen sind. „Deshalb experimentiere ich aktuell mit besonders hochwertigen Acrylfarben. Sie trocknen schneller und haben nicht den intensiven Geruch von Ölfarben.“

Das Geruchsthema war ein weiterer Grund, die Arbeit nicht in der eigenen Wohnung, sondern in ein eigenes Atelier auszulagern. „Den permanenten Ölfarbenduft würde ich meinen Nachbarn in der Oderstraße ungern zumuten“, lacht Bo Larsen. Doch die Experimente mit den Acrylfarben sind gerade nicht das einzige Neue in seiner Arbeit. „Es ist das Gold“, ergänzt er. „Nachdem ich alle Neonfarben durchgespielt hatte, wollte ich was anderes ausprobieren und bin bei Gold gelandet.“

Die neuen Bilder haben dadurch einen komplett anderen Charakter. Wirken die Neon-Bilder eher bunt, fröhlich und laut, so dominiert bei den neueren Werken etwas Irdenes, Schweres und Gehaltvolles. Das Gold trifft auf Schwarz, Grau, Braun. Fast erinnern diese Kompositionen an alte orthodoxe Ikonen oder religiöse Votivtafeln, denen das Figürliche abhandengekommen ist. Für die glänzenden Metallflächen nutzt er Blattgold, Schlagmetalle, Eisenpulver und Oxidationsmittel. So werden die Bilder fast zu dreidimensionalen Objekten, die durch echten Rost und Kupferspan noch mehr Charakter bekommen. Diese physikalischen Zersetzungsprozesse muss er natürlich wieder rechtzeitig stoppen. Dies erreicht Bo Larsen durch einen entsprechenden Firnisauftrag, sobald sie die aus seiner Sicht richtige „Reife“ haben. Über diese Flächen wird die Ölfarbe mit der Rakel gezogen, und zuletzt werden Akzente mit Goldfarbe und Schlagmetallen gesetzt.

Auch wenn seine Bilder keine Gegenstände, Menschen oder reale Szenen zeigen, setzt sich der Maler darin doch mit den Fragen und Problemen unserer Zeit auseinander. „In den Zwanzigerjahren unseres Jahrhunderts gibt es erschreckend viele Parallelen zu den legendären Zwanzigerjahren des 20. Jahrhunderts“, bezieht sich Bo Larsen auf die Phasen jeweils nach einer großen Pandemie mit Inflation und politisch unsicheren Zeiten. Nur folgerichtig, dass er die „Goldenen Zwanziger“ infrage stellt und seine jüngste Ausstellung „TWENTIES – golden?“ genannt hat. So entsteht aus dem Spiel mit dem Zufall auch manchmal ein ernster Kommentar zum aktuellen Zeitgeschehen. Das vermag nur die Kunst und eben ein Künstler wie Bo Larsen.

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