„Ich lerne noch immer!“ Cody Kessel sammelt Titel mit den BR Volleys und inspiriert abseits des Sports mit seinen Erfahrungen.
Mit Cody Kessel haben die BR Volleys nicht nur einen ausgezeichneten Außenangreifer in ihren Reihen. Der gebürtige US-Amerikaner ist in mehrfacher Hinsicht ein Ausnahmeathlet. Neben seinen sportlichen Erfolgen berichtet er auch offen über mentale Herausforderungen – in seinem Blog und in einem jüngst veröffentlichten Buch. STADT UND LAND – DAS MAGAZIN hat ihn zwischen zwei Trainingseinheiten zum Interview getroffen.
Seit 2019 bei den BR Volleys: Cody Kessel zählt als Außenangreifer zu den zentralen Spielern im Team.
Sie spielen seit 2019 für die BR Volleys. Was war ausschlaggebend für den Wechsel von Lüneburg nach Berlin?
Es war die richtige Zeit, um den nächsten Schritt in meiner Karriere zu gehen und um Titel im Volleyball zu spielen, in der Bundesliga und im Pokal
ebenso wie in der Champions League. Die vergangenen Jahre haben gezeigt, dass die BR Volley dazu die richtige Mannschaft sind. Hier kann ich einfach mit den Besten gegen die Besten in meinem Sport spielen. Berlin als Stadt war übrigens auch ein gutes Argument für den Wechsel: Ich fühle mich im Verein und in der Stadt sehr geborgen. Ich habe mir hier einen Kindheitstraum erfüllt.
Vorher haben Sie in Ihrer amerikanischen Heimat und in der Schweiz Volleyball gespielt. Was unterscheidet die Bundesliga von Ihren vorherigen Stationen?
Die Bundesliga hat wirklich ein hohes Niveau im Herren-Volleyball. In den USA und Kanada beispielsweise gibt es gar keine Profi-Liga für Männer. Deshalb wechseln viele amerikanische Volleyballspieler, so wie ich, nach ihrer Zeit bei einem Uni-Team nach Europa. Auch im Vergleich zur Schweiz ist das Niveau in Deutschland deutlich höher.
Wollten Sie schon immer Volleyball spielen? Mit Ihren 1,98 Meter wäre sicherlich auch Basketball in Frage gekommen, oder?
Möglicherweise, ja. Vielleicht wäre es die bessere Entscheidung gewesen… Nein, Spaß beiseite: Ich liebe meinen Sport. Ich bin in einer Volleyball-Familie aufgewachsen, denn mein Vater war viele Jahre Trainer einer Volleyball-Mannschaft. Ich habe in der High School auch andere Sportarten
ausprobiert, zum Beispiel Tennis oder Lacrosse. Volleyball habe ich damals auch schon gespielt. Und nach der High School bin ich dabei geblieben. Viele gute amerikanische Volleyballer haben damals in Deutschland gespielt, so auch eines meiner größten Vorbilder, Erik Shoji. Er war bei den BR Volleys. So kam der Ansporn, auch irgendwann einmal in Berlin zu spielen.
Sie spielen als Außenangreifer, als „Outside Hitter“. Welche Eigenschaften sind auf dieser Position besonders gefragt?
Als Außenangreifer ist man ein echter Universalspieler: Man muss aufschlagen, annehmen, blocken, abwehren und natürlich auch angreifen können. Für mich ist das die interessanteste Position im Volleyball. Andere Spieler können sich eher spezialisieren. Als Außenangreifer musst du permanent wach und bereit sein. Man braucht eine gewisse Körpergröße, um sich beim Angreifen und Blocken durchzusetzen. Für die Annahme und Abwehr sollte man zudem wendig sein. Das macht einen guten „Outside Hitter“ aus.
Sie sind mit den BR Volleys schon zwei Mal deutscher Meister und vor Kurzem zum zweiten Mal DVV-Pokalsieger geworden. Welchen Titel streben Sie mit dem Team als nächstes an?
Ganz klar, die Champions League. Um diesen Titel spielen die besten Teams Europas. Aber ich habe mich auch sehr über meinen zweiten DVV-Pokal im Februar gegen die SWD powervolleys Düren gefreut. Und wir wollen auch in diesem Jahr wieder deutscher Meister werden.
Manchmal kann man Sie auch als Beachvolleyballer erleben. Wie kam es zu diesem Ausflug in den Sand?
Im Sommer 2021 habe ich den Sprung ins US-Team für die Olympischen Spiele in Tokyo verpasst. Da hat mich der ehemalige deutsche Nationalspieler Dirk Westphal von den Netzhoppers aus Königs Wusterhausen gefragt, ob ich nicht für seinen verletzten Teamkollegen einspringen möchte. Beachvolleyball ist für mich normalerweise eher nur eine Art Trainingsersatz im Sommer. Aber durch Dirks Anfrage habe ich gerne mitgemacht und etliche Turniere auf der
höchsten deutschen Beachtour gespielt, unter anderem auch in München während des Oktoberfests. Das war wirklich eine tolle Erfahrung und ich habe viel dazugelernt.
Ihre Heimatstadt Colorado Springs liegt in Sichtweite der Rocky Mountains. Vermissen Sie die Berge in Berlin?
Den Schnee und die Berge vermisse ich nur selten. Ich mag Berlin wirklich sehr. Die Stadt hat so viel zu bieten, das man in Colorado leider nicht findet.
In Ihrem Blog bezeichnen Sie sich als jemanden, der leidenschaftlich neugierig ist und lebenslang lernen möchte. Was genau meinen Sie damit?
Das haben mir bereits meine Eltern mit auf den Weg gegeben: Während des gesamten Lebens kann man stets etwas dazulernen. Wenn man offen und aufgeschlossen bleibt, fällt es einem nicht schwer, sich immer wieder zu verbessern oder Dinge besser zu machen – im Beruf, beim Sport, im privaten Bereich. Das macht einen stark: Wenn ich meine sportliche Laufbahn betrachte, habe ich das nur mit der Offenheit für Neues geschafft. Das Ganze ist eine tolle, spannende Reise, die hoffentlich noch lange andauert. Eines meiner Lieblingszitate stammt von Michelangelo, der mit 85 Jahren gesagt hat: „Ich lerne immer noch.“ Und genau das trifft’s.
Sie schreiben regelmäßig einen Blog. Außerdem haben Sie gerade ein Buch veröffentlicht. Worum geht es in Ihrem Buch genau?
Auch hier geht es um die Reise, die ich gerade beschrieben habe. Ich habe alle Lektionen und alle wichtigen Dinge, die ich gelernt habe, aus meiner
subjektiven Sicht aufgeschrieben. Aus meinen acht Jahren als Profisportler, aber auch aus den Jahren davor. In meinem Leben gab es etliche Herausforderungen, die fast verhindert hätten, dass ich heute hier bin und dass ich so viele Erfolge feiern durfte. Im Buch gebe ich ein paar Einblicke, wie man auch mental an Stärke gewinnt und was mich vielleicht auch von anderen Sportlern unterscheidet. In manchen Passagen ist mein Buch wie ein Brief an mein jüngeres Ich.
Auch um andere zu ermutigen und zu bestärken, den eigenen Weg zu gehen? Also das, was wir heute auch im Deutschen „Empowerment“ nennen?
Ja, genau. Das ist das Ziel. Ich möchte andere gerne ermutigen, die beste Version von sich zu sein. Deshalb teile ich gerne meine Erfahrungen.
Zur Person: Cody Kessel
1991 in Colorado Springs geboren, begann Cody Kessel seine Volleyball-Laufbahn im Team seiner High School ehe er 2012 in die Mannschaft der Princeton University wechselte. Nach einer ersten Station in der Schweiz wechselte er 2016 in die Volleyball Bundesliga, zunächst zur SVG Lüneburg. Seit 2019 spielt er für die Berlin Recycling Volleys. Bislang ist er mit den BR Volleys zwei Mal deutscher Meister und zwei Mal deutscher Pokalsieger geworden. Im Sommer 2022 nahm er mit der US-Nationalmannschaft erstmals an einem großen Turnier, der Weltmeisterschaft in Polen und Slowenien teil.
https://codykessel.wordpress.com
Zum Verein: Berlin Recycling Volleys
Mit insgesamt zwölf deutschen Meistertiteln, sechs DVV-Pokalsiegen und dem europäischen CEV-Pokal zählt das Profiteam des Sport-Club Charlottenburg e.V. zu den besten Volleyballmannschaften in Deutschland. Die Heimspiele werden in der Max-Schmeling-Halle ausgetragen und locken durchschnittlich mehr als 5.000 Zuschauer*innen an. Nirgendwo anders in Europa verfolgen so viele Menschen regelmäßig live Volleyball, weshalb sich die Arena längst national und international einen Namen als „Volleyballtempel“ gemacht hat.
Seit vielen Jahren unterstützt die STADT UND LAND die BR Volleys als Premiumpartner aus Verbundenheit zum Spitzensport in der Hauptstadt.