STADT UND LAND Wohnen

Berlin: Stadt der Mode & Kreativwirtschaft mit Zukunft

Berlin ist nicht nur für seine kulturelle Vielfalt, sondern auch zunehmend für seine Modeszene bekannt. Kreativ, individuell und experimentierfreudig – so präsentiert sich die Hauptstadt als Plattform für junge Designmarken und etablierte Modelabels. Die Bekleidungsbranche leistet einen wichtigen Beitrag zur regionalen Wirtschaft – in der Produktion, im Einzelhandel und als Arbeitsmarktsektor.

Mode als ökonomischer Faktor

Laut den neuesten Daten des Wirtschaftsförderungsunternehmens Berlin Partner zählt die Modewirtschaft zu den wichtigsten Kreativbranchen der Hauptstadt. Von renommierten Unternehmen über unabhängige Ateliers bis hin zu Concept Stores – Berlin bietet ein breites Spektrum.

Das bekannteste Beispiel: Die Berlin Fashion Week im Februar, die zu den größten Modeveranstaltungen in Europa zählt, zieht seit 2007 zweimal im Jahr Besucherinnen und Besucher aus aller Welt an. Als Plattform für aufstrebende Talente und etablierte Marken hebt sie sich durch ihre Verknüpfung von Nachhaltigkeit, Kunst und Technologie von anderen Modewochen ab. Die nächste Fashion Week findet vom 31. Januar bis zum 3. Februar 2025 in ganz Berlin statt. Labels wie Laura Gerte, ODEEH oder Haderlump planen schon ihre Shows.

Daneben spielen weitere Veranstaltungen wie der Berlin Showroom oder die Fashion Positions eine Schlüsselrolle im Berliner Modezirkus. Diese Events haben einen messbaren Einfluss auf die wirtschaftliche Entwicklung der Region, indem sie Investorinnen, Käufer und Medien aus der ganzen Welt anziehen.

„Die Modewirtschaft ist ein bedeutender Motor für Berlin: Mit knapp 4.800 Unternehmen, rund 25.500 Erwerbstätigen und einem jährlichen Umsatz von etwa fünf Milliarden Euro trägt sie maßgeblich zur wirtschaftlichen und kulturellen Dynamik der Stadt bei“, erklärt Michael Biel, Staatssekretär für Wirtschaft des Landes Berlin. „In der Berliner Modebranche spiegelt sich das Lebensgefühl und der Zeitgeist der Stadt wider. Wir unterstützen die Branche gezielt, insbesondere durch die Förderung der inhaltlich und konzeptionell neu ausgerichteten Berlin Fashion Week sowie der internationalen Vernetzung der Berliner Modelabels mit jährlich über vier Millionen Euro. Die Berliner Modebranche ist ein Aushängeschild unserer Stadt, und das möchten wir weiter ausbauen“, so Michael Biel.

Historische Etappen der Berliner Mode

Die Bedeutung Berlins als Modezentrum hat eine lange Geschichte. In den 1920er-Jahren galt Berlin als „Modemetropole“ Europas, mit dem Hausvogteiplatz als Herzkammer der deutschen Modeindustrie. Dort saßen die bedeutendsten Modehäuser, die den Stil der Zeit prägten und internationale Anerkennung fanden. Doch die Zeit des Nationalsozialismus und der Zweite Weltkrieg führten zu einem tiefen Einschnitt. Viele der jüdischen Unternehmer wurden enteignet oder zerstört, und die Modebranche in Berlin erlebte einen massiven Einbruch, von dem sie sich so schnell nicht mehr erholen sollte.

Nach dem Krieg und während der Teilung Berlins entwickelte sich das Thema Mode in beiden Stadthälften sehr unterschiedlich. West-Berlin orientierte sich weiterhin international, Mode wurde zum Statussymbol des westlichen Lebensstils. In den 1960er-Jahren war beispielsweise der Modeschöpfer Heinz Oestergaard mit seinem Haute-Couture-Salon die Adresse Nummer eins in West-Berlin. Dort kleidete er Stars wie Romy Schneider und Hildegard Knef ein. Zur gleichen Zeit war Kleidung in der DDR eher funktional und auf den Alltag der sozialistischen Gesellschaft abgestimmt. Unter den Bedingungen der Planwirtschaft schafften es zahlreiche Entwürfe des DDR-Modeinstituts nur in die Modezeitschrift Sibylle, aber nicht in die Produktion.

In den 1980er-Jahren entwickelte sich in West-Berlin eine lebendige Szene aus subversiven Mode- und Kunstprojekten, die die kreative Freiheit der Stadt nutzte, um alternative und rebellische Stile zu etablieren. So hat beispielsweise die Punk-Bewegung die Mode stark beeinflusst. Nicht ohne Grund hat später die englische Designerin und Punk-Legende Vivienne Westwood an der damaligen Hochschule der Künste als Professorin für Bekleidungsdesign unterrichtet.

Sie steht exemplarisch für die Zeit nach der Wiedervereinigung, als eine besondere Dynamik in der Berliner Modeszene zu spüren war. Die Stadt bot in den 1990er-Jahren plötzlich Räume für Kreativität und Experimente, die den Designnachwuchs magisch anzogen. Modeschauen in alten Straßenbahndepots oder in verlassenen Industriehallen wurden zu begehrten Events im Nachtleben der Stadt. In dieser Zeit verfestigte sich der Ruf Berlins als Ort, an dem unkonventionelle Ideen realisiert werden konnten. Bis heute steht Berlin für Mode, die experimentell, künstlerisch und politisch ist.

Anders als Paris und New York

Im Gegensatz zu klassischen Modemetropolen wie Paris, Mailand oder New York zeichnet sich die deutsche Hauptstadt durch eine weniger kommerzielle Ausrichtung aus. An der Spree ist Mode nicht nur Produkt, sondern Ausdruck eines Lebensgefühls und einer gesellschaftspolitischen Haltung. Immer mehr Berliner Designmarken legen großen Wert auf Nachhaltigkeit und Ressourcenschonung, was sich in einer wachsenden Secondhand-Szene und in den Designs vieler Labels widerspiegelt. Dies ist ein klarer Gegentrend zur sogenannten Fast Fashion. Mit dem Begriff, der natürlich an Fast Food erinnert, wird Billigmode bezeichnet, die mit geringen sozialen und ökologischen Standards produziert und meist unsachgerecht entsorgt wird. Aus Deutschland wurden beispielsweise 2022 insgesamt 462.500 Tonnen Altkleider verschifft. Das entspricht 5,5 Kilo pro Kopf.

Ein weiterer Unterschied ist die enge Verbindung zwischen Mode und anderen kreativen Disziplinen wie Kunst, Musik und Film. Diese Synergien machen die Stadt zu einem einzigartigen Schmelztiegel für interdisziplinäre Zusammenarbeit. Ein Paradebeispiel hierfür ist der Berliner Salon, der auf der Berlin Fashion Week Plattformen für lokale Designerinnen und Designer bietet, die an der Schnittstelle von Mode und Kunst arbeiten. So ist beispielsweise Esther Perbandt eine schillernde Vertreterin der Branche, die regelmäßig in den Medien auftaucht. Auch das Label CRUBA ist international etabliert, und ihre Modelle wurden sogar schon bei der Oscar-Verleihung getragen.

Perspektiven für die Zukunft

Die Zukunft der Berliner Modebranche sieht vielversprechend aus – auch wenn die Herausforderungen für die Wirtschaft allgemein sehr groß sind. Laut Berlin Partner wird die Verschmelzung von Mode und Technologie ein zentraler Treiber für Innovation sein. Insbesondere die Digitalisierung der Modebranche von 3D-Druck bis hin zu virtuellen Modenschauen bietet neue Chancen für Berliner Unternehmen, sich international zu behaupten. Zudem stehen Nachhaltigkeit und die Entwicklung zukunftsfähiger Geschäftsmodelle im Mittelpunkt etlicher Initiativen.

Grüne Mode

Bereits seit 2015 sitzt die hessnatur stiftung in Berlin und berät Unternehmen der gesamten textilen Wertschöpfungskette auf dem Weg zu einer ökologisch weniger schädlichen Wirtschaftsweise. Auch andere Labels haben sich zusammengeschlossen und spinnen die Gedanken in Richtung sozialverträgliche Produktion weiter.

Der gemeinnützige Verein circular Berlin, der sich für eine Stärkung der regionalen Kreislaufwirtschaft einsetzt, sieht beispielsweise in der Textilwirtschaft Berlins besondere Chancen für eine lückenlose Wiederverwertung von Rohstoffen.

Auch die Sharing Economy, also das gemeinsame Nutzen von Gütern und Ressourcen, ist fest in der Fashionlandschaft Berlins verankert. So hat beispielsweise der Onlinehändler Zalando mit der Eröffnung des „Preowned“- Kanals die Möglichkeit geschaffen, dort eingekaufte Ware einzutauschen und über eine Gutschrift einen Teilbetrag erstattet zu bekommen.

Verkaufsplattformen wie Vinted und Momox sind ebenfalls in Berlin ansässig. Anbieter wie POOL oder die Kleiderei bieten die Möglichkeit, über ein Abonnement monatlich so viele Stücke aus dem Markenkatalog zu tragen wie gewünscht. Sobald sie ausgesucht sind, werden die Pakete am selben Tag per E-Scooter geliefert. Nach dem Tragen werden sie zurückgeschickt und gereinigt; alles inklusive einer Versicherung.

Zahlreiche Berliner Modelabels haben sich mittlerweile unterschiedlichen Standards verschrieben und bringen diese neue Art, sich mit Mode auseinanderzusetzen, in ihre Kollektionen und Fertigungsprozesse mit ein. Einen Überblick über nachhaltige Labels, Initiativen, Shops und Veranstaltungen bietet die Bestandsaufnahme „Sustainable Fashion x Design in Berlin“. So bezeichnet die Designerin Natascha von Hirschhausen ihre Modelinie als „radikal achtsame Premiummode“ für eine Zukunft ohne Abfall. Die Schnitte der Modedesignerin sind zum Beispiel so konzipiert, dass als Rest, der sogenannte Verschnitt, nur Stoff für einen Ohrring übrigbleibt. Mit diesem Anspruch hat sie sich den Bundespreis Ökodesign gesichert.

Brautalarm in der Torstraße

Eine Marke mit viel Renommee ist Kaviar Gauche. Lange, romantische Kleider sind zum Markenzeichen des Design-Duos Alexandra Fischer-Roehler und Johanna Kühl geworden. Dabei haben sie in den vergangenen Jahren auch schwere Zeiten erlebt. Nach der Finanzkrise brachen die Umsätze auch bei dem Label in der Berliner Torstraße weg. Die Designerinnen holten sich einen Investor in die Firma und besetzten eine Nische auf dem deutschen Markt. Das war 2009. Seitdem entwerfen die Designerinnen pro Jahr eine „Bridal Couture-Kollektion“, also Brautmode der Extraklasse. Inzwischen machen die Brautkleider fast 50 Prozent des Umsatzes aus. Daneben gibt es auch Accessoires und eine Prêt-à-porter-Kollektion; also Mode, die zwar auch von den Designerinnen entworfen wurde, aber in Standardgrößen erhältlich ist und nicht maßgeschneidert wird.

Die Beispiele zeigen: Wer in der Berliner Modebranche arbeitet, sollte keine Scheu haben, neue Wege zu gehen. Denn hier wird Mode nicht nur gezeigt, sondern auch ausprobiert, wie die Modeindustrie nachhaltiger werden kann. Vielleicht kann Berlin auf diesem Themenfeld sogar als globaler Vorreiter neue Trends setzen.

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