
Die Ranger von Marienfelde: Naturnahe Bildung zum Anfassen
Kennen Sie die Knoblauchkröte? Oder die Zackenschote? Das eine ist eine vom Aussterben bedrohte heimische Amphibienart, das andere eine nicht heimische Raukenart, die aktuell viele Pflanzen verdrängt. Wo man dies und noch viel mehr lernen kann? Bei der Naturwacht in Berlin-Marienfelde.Kommen Sie mit auf einen Ausflug ins unbekannte, grüne Berlin.

Vom Biotop bis zum Insektenhotel: Juri Mielke (l.) und Björn Lindner machen Arten- und Naturschutz anschaulich
© Photothek / Amrei Schulz
Dort, wo man von Berlin-Marienfelde aus schon nach Brandenburg schauen kann, verbirgt sich hinter hohen Bäumen und dichtem Grün eine Oase der besonderen Art. Im Diedersdorfer Weg befindet sich die Naturwacht Berlin. Hier lagen einst im Schatten der Berliner Mauer große Gärtnereiflächen und später auch ein Freizeitpark. Heute sind auf diesem Areal gleich mehrere Einrichtungen zusammengefasst: eine Naturschutzstation mit einem Ranger-Team, eine Wildtierwacht, eine „Grüne Schule“ mit entsprechenden Klassenzimmern und die Zwiebelfrösche, das Programm für Kids als Junior Ranger. Betrieben wird das Ganze von einem Verein, dem Naturwacht Berlin e. V.
Neben den Mitteln des Bezirks freut sich das Team auch über Spenden und ehrenamtliches Engagement, gerade in Zeiten von Sparzwängen und Haushaltssperren. „2007 haben wir hier angefangen, aus dem verwilderten Areal das zu entwickeln, was es heute ist“, erzählt Björn Lindner. Er ist einer der Naturwacht-Ranger und hat diesen Ort maßgeblich mitaufgebaut, zusammen mit dem Bezirksamt Tempelhof-Schöneberg und vielen weiteren Mitstreiter*innen.
Dazu zählt auch die STADT UND LAND, die die Naturwacht seit Jahren in ihrer vielfältigen Arbeit unterstützt.
Lehrreich für Groß und Klein
„Angefangen haben wir mit einfachen Maßnahmen zum Naturschutz und zur Landschaftspflege. Bald kam auch die Pflege eines Biotops dazu sowie das Überwachen der Artenvielfalt, das sogenannte Artenmonitoring“, erinnert sich Björn Lindner. „Weil immer mehr Besucher kamen, haben wir auch Infotafeln aufgestellt.“ Daraus entwickelte sich das Konzept der „Grünen Klassenzimmer“. Über das Areal verteilt sind einige Holzhütten und Blockhäuser entstanden, in denen die vielen Infoveranstaltungen stattfinden: für Kitagruppen und Schulklassen, aber auch für Seniorengruppen und Mieterstammtische.
Wer sich für die Themen der Naturwacht interessiert, kann sich entsprechend anmelden und einen Termin vereinbaren. „Wir geben unser Wissen gerne weiter und erklären die Zusammenhänge der Natur“, so Björn Lindner. „Etwa den Kreislauf des Wassers in Zeiten des Klimawandels: Warum werden die Sommer immer heißer und trockener? Wie können wir besser mit der wertvollen Ressource Wasser umgehen? Wie kann sich eine Stadt wie Berlin gegen die Folgen von Starkregen schützen und zugleich das Wasser für trockene Perioden besser speichern?“
Björn Lindner ist ganz in seinem Element, wenn er vom Bildungskonzept der Naturwacht berichtet. „Praxisnah, zum Anschauen und Anfassen – so zeigen wir hier die Zusammenhänge der Natur. Wir haben doch nur diesen einen Planeten, den wir deutlich besser behandeln sollten.“ Unterstützt wird er vor Ort unter anderem von Juri Mielke, einem gelernten Förster. „Ich bin für das Wildtiermanagement zuständig. Damit bezeichnet man unsere Einsätze, wenn uns zum Beispiel die Polizei anfordert, weil Wildschweine, Waschbären oder Füchse in einem Wohngebiet unterwegs sind. Oder auch, wenn es zu Unfällen mit Wildwechsel gekommen ist.“
Jede Menge Flora und Fauna
Auf dem Gelände gibt es fast in jeder Ecke etwas zu entdecken. Schon der Zugang durch einen Tunnel aus geflochtenen Zweigen hat etwas Magisches. Den Alltag lässt man ein Stück hinter sich, wenn man durch den Tunnel geht und die Entdeckungstour beginnt. Da sieht man an der einen Stelle, wie Regenwasser auf Dächern aufgefangen wird und zur Bewässerung genutzt wird. An einer anderen Stelle gibt es ein Hochbeet mit Nutzpflanzen. Dort werden im Sommer Rote Bete und im Herbst Kartoffeln geerntet.
Dort ist auch eine eher unscheinbare Staude mit kleinen, gelben Blüten gepflanzt. „Die orientalische Zackenschote ist invasiv, das heißt, sie wurde eingeschleppt, breitet sich massiv aus und wuchert über Nutzpflanzen hinweg. Ein echtes Problem für die heimische Pflanzenwelt“, schildert Björn Lindner.
Wieder an einer anderen Stelle stehen große Plastikwannen mit Wärmeleuchten, in denen sich unzählige Kaulquappen tummeln. „Wir versuchen, die Population der Knoblauchkröte zu stärken. Diese Krötenart ist in ihrem Bestand stark gefährdet. Wenn aus den Kaulquappen kleine Kröten geworden sind, wildern wir sie an verschiedenen Stellen aus“, berichtet Juri Mielke.
Der Weg geht noch weiter, vorbei an einem Barfußpfad zu einem großen Insektenhotel, in dem sich Wildbienen eingenistet haben. Davor steht ein großer Schaukasten, voll mit Erde. Ein ganzer Kubikmeter kompostierter Boden, in dem sich mehr Mikroorganismen befinden, als es Menschen auf der Erde gibt. Björn Lindner öffnet die Klappen und zeigt die unterschiedlichen Sedimentschichten: Es dauert lange, bis das Wasser aus einer Gießkanne nach unten sickert und die Wurzeln mit Nährstoffen versorgt.
Stundenlang könnte man hier noch zuhören und stetig dazulernen, wie man die Welt im Großen wie im Kleinen begreifen kann. Das alles ist lebendiger Unterricht. Nicht nur für die nächste Schulstunde. Sondern, wie es in dem altbekannten Spruch heißt, wirklich fürs Leben.