STADT UND LAND Wohnen

Interview: „Mit 100 Jahren so jung wie nie“

Die Geschäftsführenden Ingo Malter und Natascha Klimek über ein Unternehmen mit Tradition und konkreten Zukunftsperspektiven: Seit 1924 ist die STADT UND LAND fester Bestandteil des Berliner Wohnungsmarktes. Im Juli 2024 begeht das Unternehmen das einhundertjährige Bestehen. Trotz des Jubiläums: Der Blick der Geschäftsführenden Ingo Malter und Natascha Klimek richtet sich vor allem nach vorn, denn die zukünftigen Aufgaben haben es in sich.
Die STADT UND LAND wird auch weiterhin in erheblichen Größenordnungen neue Wohnungen bauen, die Mieten moderat halten, die Gebäude sanieren und modernisieren sowie bis 2045 klimaneutral gestalten und digitaler werden. Was bereits gut funktioniert und in welchen Bereichen es noch Herausforderungen gibt, verraten die STADT UND LAND-Chefs im Interview.

Ein Jahrhundert ist vergangen, seit die STADT UND LAND in Zeiten größter Wohnungsnot gegründet wurde, um bezahlbare Wohnungen für breite Bevölkerungsschichten in Berlin zu bauen. Wie wird dieses besondere Jubiläum im laufenden Jahr begangen?

Ingo Malter: Wir wollten uns von den üblichen 100-Jahr-Feierlichkeiten etwas absetzen. Dazu gehört, dass wir auf eine dicke Festschrift voller Hochglanzbilder verzichten. Wir stellen unsere vielen ohnehin geplanten Kommunikationsmaßnahmen ins Zeichen des Geburtstages und reichern sie um gesellschaftliche Themen an. So lässt sich die Botschaft, dass die STADT UND LAND jetzt schon 100 Jahre in Berlin zu Hause ist, das ganze Jahr über transportieren und verpufft nicht gleich wieder.

Haben Sie denn mit Ihren Mieterinnen und Mietern bzw. Mitarbeitenden etwas gefeiert oder werden dies noch tun?

Natascha Klimek: Auch da halten wir es so, wie von meinem Kollegen Ingo Malter eben geschildert. Es ist langjährige Tradition unseres Unternehmens, zu Jahresbeginn einen Neujahrsempfang für die ehrenamtlich tätigen Mitglieder unseres Mieterrates und der Mieterbeiräte zu veranstalten, das haben wir auch im Jubiläumsjahr so getan. Für die Mitarbeitenden veranstalten wir jährlich ein Betriebsfest, auch das haben wir im laufenden Jahr etwas aufgewertet durchgeführt – also abgedeckt durch unsere ohnehin schon bestehenden Traditionen. Und auch bei unserer Unterstützung von kiez- und nachbarschaftsbezogenen Projekten und Initiativen haben wir im Jubiläumsjahr etwas aufgestockt.

100 Jahre, die Kommunikationskanäle zu den Mieterinnen und Mietern haben sich in dieser Zeit natürlich verändert. Fax und Telefon sind nicht mehr aktuell, Social Media und die virtuelle Kommunikation sind angesagt. Was haben Sie da zu bieten?

Ingo Malter: Als Unternehmen, das inzwischen auch stark von jüngeren Menschen geprägt ist und Wohnungen an alle Generationen vermietet, kommen wir nicht umhin, in den sozialen Netzwerken derzeit und künftig präsenter zu sein. In der Umsetzung befinden wir uns gerade, personell haben wir uns entsprechend verstärkt.
Natascha Klimek: Die technischen Gegebenheiten, verstärkt virtuell zu arbeiten und viele Aufgaben zu automatisieren, sind bei uns bereits seit der Zeit vor Corona gegeben. Diesen Trend entwickeln wir kontinuierlich weiter, so haben wir unseren Internetauftritt zum 1. Juli modernisiert und führen derzeit ein Kundenportal für unsere Mieterinnen und Mieter ein, in dem wir zahlreiche Serviceleistungen online anbieten.

Neben Traditionsveranstaltungen wie dem „Festival der RIESENDRACHEN“ auf dem Tempelhofer Feld oder dem „Hellersdorfer Balkonkino“ haben Sie zum Jubiläumsjahr auch das Format „STADT UND LAND im gesellschaftlichen Dialog“ aufleben lassen. Was hat es damit auf sich?

Ingo Malter: Wir haben das Gefühl, die Zeiten in Gesellschaft und Politik verlangen danach, dass auch ein landeseigenes Unternehmen an dieser Stelle einen Beitrag zum öffentlichen Diskurs leistet. Wir wollen darüber sprechen, in welche Richtung wir uns als Gesellschaft bewegen, über welche Entwicklungen wir uns Gedanken machen müssen.
Natascha Klimek: Wir fühlen uns nach erfolgreichen Auftaktveranstaltungen sehr ermutigt weiterzumachen.
Wir hatten hochkarätig besetzte Podien und konnten mit Prof. Dr. Julian Nida-Rümelin, einer der wichtigsten lebenden Philosophen Deutschlands, und Christian Wulff, ehemaliger Bundespräsident, zwei hochkarätige Persönlichkeiten als Gastredner gewinnen. Geplant ist es, zwei bis drei dieser Veranstaltungen jährlich zu etablieren.

Herr Malter, Sie sehen die Art und Weise, wie heutzutage Informationen verbreitet und Diskussionen geführt werden, sehr kritisch. Das haben Sie bei der Auftaktveranstaltung betont.

Ingo Malter: Ja, vor allem stört mich dieses Schwarz-Weiß-Denken im öffentlichen Diskurs. Es gibt oft nur dafür oder dagegen – entweder oder. Doch so einfach ist es im Leben nicht. Während in den Kommentarspalten der sozialen Medien Empörung, Wut und Hassreden an der Tagesordnung sind, wollen wir mit unserer Veranstaltungsreihe exemplarisch zeigen, wie Themen nicht im klassischen Pro-Contra-Stil, sondern aus unterschiedlichen Perspektiven beleuchtet werden können. Wie man konstruktiv, respektvoll und aufgeklärt diskutiert, ohne dass am Ende Gewinnende oder Verlierende vom Tisch gehen müssen.

Abseits der gesellschaftlichen Themen, worin sehen Sie denn die größten Herausforderungen für die Gegenwart und Zukunft des Unternehmens?

Natascha Klimek: Die seit Jahren bestehenden, herausfordernden Rahmenbedingungen werden sich nicht ändern. Hinzu kommen kontinuierlich steigende gesetzliche Anforderungen, wie sie sich zum Beispiel beim Klimapfad, im Gebäudeenergiegesetz oder in der neuen Schadstoffverordnung widerspiegeln. Die Kosten für die Umsetzung dieser gesetzlichen Pflichten sind nicht zu unterschätzen. In unseren Erträgen, also den Mieten, sind wir hingegen reglementiert. Deshalb müssen wir den Fokus unserer Unternehmensstrategie so ausrichten, dass wir neben unserem sozialen Auftrag wirtschaftlich handlungsfähig bleiben. Auch wir können jeden Euro nur einmal ausgeben.
Ingo Malter: Unsere Aufgaben sind ja in den letzten Jahren nicht geringer geworden. Neben dem Dekarbonisierungspfad müssen wir unsere Neubautätigkeit fortsetzen und unseren Bestand kontinuierlich pflegen. Und wie die gesamte Wirtschaft dieses Landes sind wir zudem mit der Veränderung der Arbeitswelt konfrontiert: Die Digitalisierung der Arbeitsprozesse und die Flexibilisierung der Arbeitszeiten und -bedingungen haben Einfluss auf die gesamte Organisationsstruktur des Unternehmens und zudem zur Profilierung als attraktiver Arbeitgeber.

Das Unternehmen hat weiterhin sehr ambitionierte Neubauziele. Werden diese erreicht? Und was kann daran hindern, den Bau neuer Wohnungen in geplanter Dimension zu realisieren?

Ingo Malter: Da gibt es vielfältige Gründe. Wir sind natürlich darauf angewiesen, dass wir Grundstücke mit geltendem Baurecht haben. Wenn wir über Grundstücke verfügen, die erst einmal durch ein Bebauungsplanverfahren Baureife erlangen müssen, dann dauert das oft jahrelang und wir können vorerst nicht bauen. Und dort, wo wir sofort bauen könnten, haben wir oftmals Widerstände in den Nachbarschaften. Wir müssen auftragsgemäß aber die Langfristperspektive im Auge behalten und auch unter solchen Umständen neue Wohnungen schaffen.
Natascha Klimek: Vielfach kommen wir aber auch bei der Auftragsvergabe nur schwer oder gar nicht voran, weil wir keine oder nur wenige Angebote auf unsere öffentlichen Ausschreibungen erhalten, die zudem oft zu teuer oder ineffizient sind. Die Ausschreibungsverfahren sind dann zu wiederholen, was natürlich zu zeitlichen Verzögerungen und damit auch Kostensteigerungen führt.
Ingo Malter: Das Bauen selbst bereitet uns keine Probleme. Die Maschine läuft. Wir wissen, worauf wir achten müssen und machen Anfangsfehler kein zweites Mal. Auch große Vorhaben wie die Buckower Felder, wo 900 Wohnungen entstehen, gehen gut voran. Meistens kommen Hemmnisse, die es zu bewältigen gilt, vor dem ersten Spatenstich, danach läuft es in der Regel planmäßig.

In den Medien wird immer mal wieder „empört“ über anstehende Mieterhöhungen der landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften berichtet. Aus der Politik und von der Mietlobby kommt deshalb teilweise Kritik. Was entgegnen Sie?

Ingo Malter: Aus Mietersicht sind die Mieterhöhungen natürlich negativ. Ich kann nur um Verständnis bitten und versuchen, aufzuklären. Alle Kostensteigerungen machen vor der Wohnungswirtschaft nun mal nicht halt. Wir haben Tarifabschlüsse, die zu höheren Löhnen führen. Wir müssen Dienstleistungsunternehmen bezahlen, die ihre Material- und Lohnkostensteigerungen an uns weitergeben. Das zwingt auch uns, die Preise anzupassen. Die im Jahr 2023 mit dem Land Berlin geschlossene Kooperationsvereinbarung erlaubt uns wieder moderate Mietsteigerungen. Wir gehen da sehr behutsam vor und so sozial verträglich wie möglich. Im Übrigen sei erwähnt, dass die Mietenentwicklung im so genannten „Warenkorb“, der die Inflationsrate bemisst, kostendämpfend wirkt.
Natascha Klimek: Darüber hinaus wird jedem Haushalt angeboten, sofort mit uns ins Gespräch zu gehen, wenn dieser sich durch die höhere Miete überfordert fühlt. Es gibt Verabredungen und Regelungen, unter welchen Umständen wir die Erhöhungen teilweise oder ganz aussetzen. Zum Beispiel soll die Nettokaltmiete nicht mehr als 27 Prozent des Haushaltseinkommens ausmachen. Außerdem bieten wir mit eigener Expertise und diversen Kooperationspartnern vielfältige Unterstützung an – etwa bei einem möglichen Wohnungswechsel zur Verringerung der Kosten oder wenn jemand in der Schuldenfalle sitzt. Hervorzuheben ist hierbei die Arbeit unseres Tochterunternehmens SOPHIA, das vor Ort in den Quartieren in sozialen Fragen berät und Hilfe leistet.

Was könnten denn Maßnahmen sein, um die Kosten für den Neubau von Wohnungen zu verringern?

Ingo Malter: Zum einen, den ausufernden Katalog der technischen Anforderungen an den Neubau zu reduzieren. Alle bautechnischen Standards sowie Schallschutz, Artenschutz, Lärmschutz, Bodenschutz und so weiter sollte man hinterfragen. Beim Brandschutz mache ich eine Ausnahme. Brandschutz halte ich persönlich für wichtig. Aber ansonsten würde ich mir wünschen, dass es einen Abwägungsprozess all dieser Schutzgüter untereinander gibt, sodass wir schneller zu Lösungen kommen. Wir haben Beispiele gehabt, wo wir über sechs Monate auf eine Krötenwanderung warten mussten, bis wir mit dem Neubau einer Flüchtlingsunterkunft loslegen durften. Und so lange haben Geflüchtete in Turnhallen ausharren müssen. Das finde ich ein Stückweit zynisch. Wir sollten darüber diskutieren, ob es da nicht einen Abwägungsprozess geben sollte. Wir müssen runter von überhöhten Standards, allerdings ohne die Wohnqualität einzuschränken.

Ist der Wohnungsneubau überreguliert?

Ingo Malter: Ja. Viele Hunderttausend Menschen in Berlin leben in Wohnungsbeständen der 1960er- und 1970er-Jahre. Wenn wir heute diesen Standard bauen wollten, wäre das in fast jeder Hinsicht nicht möglich, weil illegal, so stark sind die Anforderungen gestiegen. Gleichzeitig hat aber niemand ein Problem damit, dass diese von mir genannten Wohnungen von Hunderttausenden bewohnt werden. Wir müssen uns doch fragen, wo haben wir wirklich Verbesserungen erzeugt durch die Anpassungen von technischen Regelwerken, und wo ist es einfach nur komplizierter geworden?

Was kostet denn ein Neubau im Jahr 2024?

Natascha Klimek: Wenn sie eine Lückenschließung machen wollen für nur rund 20 Wohnungen, wird das garantiert teurer, als wenn sie auf der grünen Wiese 300 Wohnungen bauen können. Deswegen können wir lediglich eine Bandbreite nennen. Wir rechnen derzeit mit Preisen zwischen 3.500 und 4.500 Euro pro Quadratmeter Wohnfläche. Wir haben allerdings auch schlüsselfertige Angebote bekommen, die schon deutlich über 5.000 Euro liegen. Aber da haben wir nicht zugegriffen, das ist uns zu teuer.

Wird denn in Berlin überhaupt genügend gebaut oder ginge da nicht noch mehr? Und wie ist die Nachfrage?

Natascha Klimek: Berlin baut so viel wie keine andere Stadt in Deutschland, und die landeseigenen Wohnungsunternehmen sind die größte Wohnungsbau-Maschine in Deutschland – und das seit mehreren Jahren. In Berlin wird gerne auf das halbleere Glas geschaut, aber nicht gesehen, was tatsächlich Positives geleistet wird – sowohl von der Politik als auch von den landeseigenen Wohnungsbauunternehmen.
Ingo Malter: Der Nachfragedruck ist schon enorm. Es ist inzwischen so, dass rund 40 Prozent der neu gebauten Wohnungen bei Fertigstellung des Gebäudes bereits vermietet sind und wir dann in drei oder vier Monaten die Vollvermietung erreichen. Das war früher undenkbar. Als ich vor ca. 30 Jahren in die Wohnungswirtschaft kam, hat man über ein Jahr für eine Vollvermietung gebraucht.

Abschließende Frage: Was wünschen Sie sich als Verantwortliche der STADT UND LAND, aber auch ganz persönlich, für die nächsten Jahre?

Natascha Klimek: Die geschilderten Kostensteigerungen einerseits und die uns vorgegebenen limitierten Ertragssteigerungen andererseits führen natürlich zu einem Spagat, der immer größer wird. Dies intelligent auszubalancieren gelingt nur, wenn man den Blick gezielt auf die Finanzierung der anstehenden Maßnahmen wendet und alternative Finanzierungsinstrumente zum Einsatz bringt. Eine größere Handlungsfreiheit, Mieten differenziert zu gestalten, würde uns ein Regulierungsinstrument auf der Einnahmenseite an die Hand geben.
Ingo Malter: Ich will die Hoffnung nicht aufgeben, dass die Welt wieder friedlicher wird und vor allem die Kriege in der Ukraine und im Gazastreifen ein Ende finden. Aus unternehmerischer Perspektive wünsche ich mir, große Schritte mit unseren Hauptaufgaben – Neubau, Bestandspflege, stabile Nachbarschaften und moderate Mietpreisgestaltung – voranzukommen. Ich sehe die STADT UND LAND da auf einem guten Weg und blicke trotz aller Herausforderungen optimistisch in die Zukunft. Das Unternehmen ist zwar 100 Jahre alt, ist aber in vielerlei Hinsicht jünger, als es jemals war.

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