
„Ungleichheit und Zusammenhalt – Wer darf wie gut leben?“
5. Dialogveranstaltung
Datum: 17. November 2025
Ort: Xelor Kesselhaus↗Dieser Link führt zu einer externen Seite, Berlin-Neukölln
Am 4. November 2025 lud die städtische Wohnungsbaugesellschaft STADT UND LAND zur Dialogveranstaltung „Ungleichheit und Zusammenhalt – Wer darf wie gut leben?“ ins Xelor Kesselhaus ein. Moderiert von Volker Wieprecht, diskutierten auf dem Podium Expertinnen und Experten aus Wissenschaft, Journalismus und Wohnungswirtschaft über gesellschaftliche Ungleichheit, Gerechtigkeit und Zusammenhalt.
Prof. Dr. Marcel Fratzscher beleuchtete in seiner Keynote die mangelnden Aufstiegschancen und die ungleiche Vermögensverteilung in Deutschland. Prof. Dr. Stefan Gosepath ergänzte, dass Ungleichheit nur problematisch wird, wenn sie willkürlich entsteht. Olivier David schilderte aus persönlicher Erfahrung, wie stark Bildungschancen von sozialer Herkunft abhängen und betonte die Bedeutung von Mentorenschaft unterstützenden Strukturen. Yannick Haan thematisierte die unfaire Besteuerung von Arbeit im Vergleich zu Vermögen und Erbschaften, während Ingo Malter hervorhob, dass bezahlbares Wohnen als Grundbedürfnis gefördert werden muss und die Lebenslage der Menschen im Mittelpunkt stehen sollte.
Die Diskussion machte deutlich: Bildung, gerechte Steuern, bezahlbares Wohnen und gesellschaftliche Solidarität sind entscheidend, um Chancen fair zu verteilen. Ungleichheit ist kein Schicksal, sondern das Ergebnis politischer und gesellschaftlicher Entscheidungen – eine gerechte Gesellschaft sorgt dafür, dass niemand zurückbleibt.
Volker Wieprecht (Moderation)
Prof. Dr. Marcel Fratzscher (DIW)
Prof. Dr. Stefan Gosepath (FU Berlin)
Olivier David (Autor/Journalist)
Yannick Haan (taxmenow / Autor)
Ingo Malter (STADT UND LAND)
Prof. Dr. Marcel Fratzscher (DIW): „Chancengleichheit und soziale Anerkennung sind der Schlüssel für Zusammenhalt – Leistung misst sich nicht allein am Einkommen.“
Prof. Dr. Stefan Gosepath (FU Berlin): „Ungleichheit ist nicht automatisch schlecht, problematisch wird sie nur, wenn sie willkürlich entsteht.“
Olivier David (Autor/Journalist): „Bildung darf nicht vom Elternhaus abhängen – Mentoren, Förderung und Selbstorganisation öffnen Wege zu echten Chancen.“
Yannick Haan (taxmenow / Autor): „Eine faire Leistungsgesellschaft braucht gerechte Steuern: Arbeit darf nicht übermäßig belastet werden, Vermögen und Erbschaften müssen ihren Beitrag leisten.“
Ingo Malter (STADT UND LAND): „Wohnen ist ein Grundbedürfnis – Unterstützung muss die Lebenslage der Menschen, nicht die Quadratmeterzahl in den Fokus stellen.“
Gleichheit, Gerechtigkeit und gesellschaftlicher Zusammenhalt - Alle Menschen besitzen die gleiche Würde und sind vor dem Gesetz gleich, garantiert das deutsche Grundgesetz. Doch wie steht es jenseits der Grundrechte mit der tatsächlichen Gleichheit in Deutschland? Wo liegen die wesentlichen Ungleichheiten, welche Ursachen haben sie und wie gefährden sie den gesellschaftlichen Zusammenhalt? In seiner Keynote zeigte Prof. Dr. Marcel Fratzscher auf, dass Deutschland im internationalen Vergleich schlechtere Aufstiegschancen und eine ungleichere Vermögensverteilung aufweist. Viele Menschen nehmen dies wahr, was zu einem verbreiteten Gefühl mangelnder Fairness führt. Fratzscher warnte, dass eine Gesellschaft, in der Herkunft über Chancen entscheidet, langfristig destabilisiert wird. Zugleich betonte er, dass Leistung nicht nur über Einkommen bewertet werden sollte, sondern dass soziale Anerkennung und persönliche Zufriedenheit ebenfalls entscheidend sind. Der Philosoph Stefan Gosepath ergänzte, dass Ungleichheit nicht automatisch problematisch ist. Gerechtigkeit bedeute, Leistung und Bedürfnisse zu berücksichtigen, und individuelle Unterschiede seien nur dann problematisch, wenn sie willkürlich entstehen. Historisch sei die Anerkennung der Menschenwürde ein Fortschritt, doch beim Ausbalancieren sozialer Unterschiede tue sich die moderne Gesellschaft schwer.
Bildung als Schlüsselfaktor - Olivier David schilderte aus persönlicher Erfahrung, wie eng Bildung und soziale Herkunft miteinander verflochten sind. Aufgewachsen in prekären Verhältnissen, erkannte er seine Position erst im Kontakt mit wohlhabenderen Mitschülerinnen und Mitschülern. Mentoren und unterstützende Strukturen halfen ihm, Wege aus dieser Lage zu finden. Auch das Publikum bestätigte, wie Sprache und kulturelle Zuschreibungen Kinder prägen: Während Französisch als Prestigesprache gelte, würden Türkisch oder Arabisch häufig abgewertet – mit dauerhaften Folgen für das Selbstbild. Gosepath forderte, ab der Grundschule ein einheitliches Sprachniveau sicherzustellen, während Malter betonte, dass Bildung nicht nur materiell, sondern auch herzens- und geistesbildend sein müsse. David warnte davor, dass ein reiner Leistungsgedanke die Gesellschaft spalten könne. Stattdessen seien Sicherungssysteme nötig, die Menschen vor sozialem Abstieg schützen.
Leistung, Steuern und Wohnen - Die Diskussion zeigte, dass die derzeitige Steuer- und Vermögensstruktur Ungleichheit verstärkt. Yannick Haan wies darauf hin, dass Arbeit hoch besteuert werde, Vermögen und Erbschaften dagegen weitgehend geschont werden. Eine gerechtere Besteuerung sei politisch möglich, werde aber durch starke Lobbyinteressen behindert. Ein anstehendes Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur Erbschaftssteuer könne jedoch eine gesellschaftliche Debatte anstoßen. Auch das Wohnen wurde als zentrale soziale Frage behandelt. Der Anteil der Miete an den Gesamtausgaben ist für Geringverdiener in den letzten Jahren auf bis zu 40 % gestiegen. Malter betonte, dass Wohnen eine Grundvoraussetzung für Selbstbestimmung sei, und sprach sich für Subjektförderung statt Objektförderung aus: Nicht Quadratmeter sollten subventioniert werden, sondern die individuelle Lebenslage der Mieterschaft.
Solidarität und Zusammenhalt - Für Fratzscher ist Solidarität der Schlüssel für gesellschaftlichen Zusammenhalt. Gosepath betonte, dass Respekt nicht verordnet werden könne, gesellschaftliche Diskurse aber Anreize setzen können. Malter sprach von einer Kultur der Anerkennung und Demut. David warnte, dass die Spaltung nicht entlang politischer Lager verlaufe, sondern zwischen oben und unten – ein neues Klassenbewusstsein könne Druck auf die Politik erzeugen.
Die Diskussion bei STADT UND LAND am 4. November 2025 drehte sich um die zentralen Fragen von Gleichheit, Gerechtigkeit und gesellschaftlichem Zusammenhalt. Prof. Dr. Marcel Fratzscher hob hervor, dass in Deutschland Aufstiegschancen begrenzt und Vermögen ungleich verteilt sind, was zu einem weit verbreiteten Gefühl der Ungerechtigkeit führt. Prof. Dr. Stefan Gosepath ergänzte, dass Ungleichheit nur dann problematisch wird, wenn sie willkürlich entsteht, und dass Gerechtigkeit Leistung und Bedürfnisse berücksichtigen muss. Olivier David schilderte aus eigener Erfahrung, wie stark Bildungschancen von sozialer Herkunft abhängen, und betonte die Rolle von Mentoren, Förderstrukturen und Selbstorganisation, um Benachteiligungen auszugleichen. Yannick Haan kritisierte die ungleiche Besteuerung von Arbeit im Vergleich zu Vermögen und Erbschaften und forderte eine faire Steuerpolitik zur Sicherung einer glaubwürdigen Leistungsgesellschaft. Ingo Malter wies auf die soziale Dimension des Wohnens hin und plädierte für Subjektförderung, bei der die Lebenslage der Menschen im Mittelpunkt steht. Die Podiumsteilnehmer waren sich einig, dass Bildung, Steuergerechtigkeit, bezahlbares Wohnen und gesellschaftliche Solidarität die zentralen Stellschrauben für mehr Gerechtigkeit sind. Ungleichheit sei kein Schicksal, sondern das Ergebnis gesellschaftlicher Entscheidungen, und eine gerechte Gesellschaft müsse sicherstellen, dass niemand zurückbleibt.
Die Diskutierenden waren sich einig, dass die zentralen Stellschrauben für mehr Gerechtigkeit bekannt sind: Bildung müsse früh ansetzen, um Chancengleichheit bereits in der Grundschule zu gewährleisten; der Arbeitsmarkt solle durch steuerliche Entlastungen und bessere Aufstiegsmöglichkeiten fairer gestaltet werden; Wohnen müsse bezahlbar bleiben und die Förderung stärker an der individuellen Lebenslage der Menschen ausgerichtet werden; Steuergerechtigkeit sei entscheidend, damit Vermögen, Boden und Immobilien angemessen beteiligt werden; und schließlich sei Respekt und ein offener Dialog wichtig, um eine Kultur des Zusammenhalts zu fördern und die gesellschaftliche Resilienz zu stärken. Ungleichheit ist kein Schicksal, sondern das Ergebnis gesellschaftlicher Entscheidungen. Gerechtigkeit beginnt dort, wo Ungleiches ausgeglichen wird, und eine gerechte Gesellschaft ist eine, in der niemand zurückgelassen wird.
Lesen Sie hier die Pressemitteilung zur Veranstaltung.↗Dieser Link führt zu einer externen Seite