STADT UND LAND Wohnen

Einmal Berliner Straße und zurück

Warum es viele Straßennamen mehrfach gibt

Straßennamen erzählen Geschichte – besonders in Berlin. Wer neu nach Berlin zieht, stellt schnell fest, dass viele Straßennamen doppelt oder mehrfach vorkommen. Rund fünf Prozent der Berliner Straßennamen teilen dieses Schicksal. STADT UND LAND – DAS MAGAZIN wollte diesem Phänomen auf den Grund gehen. Am Beispiel der Berliner Straße haben wir die Stadt erkundet.

Ein Blick in die Geschichtsbücher verrät schnell, warum es so viele Dopplungen bei den Straßennamen in Berlin gibt. Der Grund findet sich – wie nahezu bei allen Fragen zur jüngeren Berliner Historie – im Jahr 1920. Denn erst kurz nach dem Ersten Weltkrieg entstand Berlin in seinen heutigen Dimensionen: Dank des „Groß-Berlin-Gesetzes“ wurde die heutige Metropole aus sieben Stadtgemeinden, 59 Landgemeinden und 27 Gutsbezirken gebildet. Zu den bis dato eigenständigen Städten zählten beispielsweise das besonders reiche Charlottenburg, das widerständige Spandau oder die Stadt Cöpenick, die sich damals noch mit „C“ schrieb.

Schnell wurde dem Magistrat, der damaligen Stadtregierung und den neu geschaffenen Bezirksverwaltungen klar, dass manche Straßennamen nun in großer Zahl vorkamen. Insgesamt waren über 2.200 Straßen von den Dopplungen betroffen. Denn welche märkische Gemeinde hatte es sich schon nehmen lassen, an preußische Prinzessinnen oder deutsche Dichterfürsten zu erinnern? So gab es im neuen Groß-Berlin plötzlich jede Menge Charlotten- und Goethestraßen. Und überall, wo in den märkischen Gemeinden stolz der Weg zum Bahnhof, zur Kirche oder zum Park gewürdigt wurde, gab es nun en masse Namen wie Bahnhof-, Kirch- und Parkstraße.

Der Magistrat wollte das Problem in den Zwanzigerjahren beheben. Doch geschafft hat er nur rund 1.500 Umbenennungen. Geblieben ist als Spitzenreiter bis heute die Waldstraße, die es ein Dutzend Mal in der Stadt gibt.

Die Besonderheiten der späten „Eingemeindung“ lassen sich vor allem an den Berliner Straßen ablesen, die es aktuell immerhin noch acht Mal gibt. Denn sie zeugen bis heute davon, wo einst die Wege von den eigenständigen Gemeinden in Richtung zur preußischen Hauptstadt führten. Heute liegen die meisten der acht Straßen „mitten in der Stadt“, kaum mehr vorstellbar, dass sie alle einst den Stadtrand und den Weg nach Berlin markiert haben.

  1. Durch die Ortsteile Zehlendorf und Dahlem führt die Berliner Straße, die bereits vor 1878 ihren Namen erhielt und an der historischen Hohenzollern-Achse Potsdam – Berlin ausgerichtet ist. Sie führt bis heute überwiegend durch attraktive, grüne Wohngebiete. Mit ihren 1,7 Kilometern Länge ist sie auch ein Teil der Bundesstraße 1.

  2. Ein anderes Gesicht zeigt die Berliner Straße im Reinickendorfer Ortsteil Tegel. Mit ihren 1,8 Kilometern Länge ist sie die wichtigste Haupt- und Einkaufsstraße im quirligen Zentrum Tegels. Ihren Namen erhielt sie in der Zeit vor 1897. Unter ihr verkehrt die U-Bahn-Linie 6.

  3. Noch weiter im Reinickendorfer Norden: die Berliner Straße in Hermsdorf. Die vorstädtische Atmosphäre des alten Villenviertels ist bis heute erhalten. Wo einst Windmühlen standen, erhielt die Straße etwa im Jahr 1900 ihren Namen. Durch Teilung und Mauer war dies eine abgeschiedene Ecke, seit 1990 rollt der Verkehr auf dem 1,9 Kilometer langen Teilstück der Bundesstraße 96.

  4. Sicherlich die bekannteste der acht: die Berliner Straße in Wilmersdorf. Durch den gleichnamigen U-Bahnhof, in dem sich die Linien U7 und U9 kreuzen, ist sie deutlich im Stadtbild präsent. 1888 erhielt sie als Verbindungsstraße nach Alt-Berlin ihren heutigen Namen. Auf ihren 1,1 Kilometern wechseln sich Altbauten und moderne Architektur ab.

  5. Am Ende alter Rieselfelder im Norden Pankows findet sich der Ortsteil Blankenfelde, bekannt für seinen Botanischen Volkspark. Die dortige Verbindungsstraße erhielt 1922 ihren Namen als Berliner Straße – zu einer Zeit, als Dopplungen eigentlich reduziert werden sollten.

  6. Als direkte Verlängerung der Schönhauser Allee führt die mit zahlreichen Baudenkmälern gesäumte Berliner Straße durch den Prenzlauer Berg und Pankow. Zunächst hieß die Strecke Berliner Weg, ehe daraus eine Berliner Chaussee und um 1895 schließlich die heutige Berliner Straße wurde. Sie misst 420 Meter im Ortsteil Prenzlauer Berg und weitere 1.570 Meter im Ortsteil Pankow.

  7. Bereits 1824 wurde dieses Teilstück des Postkutschenwegs von Berlin nach Prenzlau als Berliner Straße in den Registern erfasst. 870 Meter misst die Straße heute im Pankower Ortsteil Französisch Buchholz. Dieser Name erinnert an die zahlreichen Hugenottenfamilien, die sich dort als Glaubensflüchtlinge aus Frankreich Ende des 17. Jahrhunderts niedergelassen haben.

  8. An der östlichen Stadtkante führt eine weitere Berliner Straße von Hönow in die Hauptstadt: die Berliner Straße in Marzahn-Hellersdorf. Zwischen Wiesen, Blumenfeldern und Gewerbegebieten markiert diese Berliner Straße gut sichtbar die direkte Grenzlinie zum Nachbarbundesland Brandenburg.

HÄTTEN SIE’S GEWUSST?
Die Spitzenreiter der Dopplungen:

12 × Waldstraße
10 × Lindenstraße
9 × Bahnhofstraße
9 × Charlottenstraße
9 × Parkstraße
8 × Berliner Straße
8 × Gartenstraße
8 × Goethestraße
8 × Kirchstraße

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